Das Endo-Exo-Implantationssystem® über osseointegrierte, transcutan ausgeleitete Prothesen zur Rehabilitation nach Extremitätenamputation
Horst-H. Aschoff, Vassilios Papageorgiou, Polivios Pavlidis
Osseointegrierte und transcutan ausgeleitete Prothesensysteme haben sich im Laufe der vergangenen 15 Jahre an einigen Zentren in Europa und Australien als alternative Behandlungsoption zur Rehabilitation hauptsächlich nach traumatischer Oberschenkel- oder Unterschenkelamputationen etabliert.
Die Vorteile der knochengeführten Implantate gegenüber der konventionellen Schaft umgreifenden Prothesen liegen dabei neben der deutlichen Entlastung der Weichteile in der Verbesserung des Gangbildes sowie in einem erhöhten Patientenkomfort. Ebenfalls zeigt sich bei den mittels eines sog. Endo-Exo-Implantationssystems® versorgten Patienten ein signifikant reduzierter Energieaufwand bei definierter Belastung (Sauerstoffverbrauchsmessung).
Der operative Eingriff wird zweizeitig durchgeführt.
Im ersten Schritt erfolgt die Implantation des sog. Endomoduls. Dieser Stiel besteht aus. einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung in dessen dreidimensional gearbeitete und mit Titan veredelte Reliefoberfläche (Spongiosa Metal®2) der spongiöse Knochen hineinwächst (Osseointegration) (Abb.1 u. 2).
Abb. 1 – Tripodenstruktur (li) des osseointegrierten Spongiosa Metal® (re)
Abb. 2 - Endo-Exo-Femurprothese (EEFP)-schematisch (li) und als Implantat (re)
Die durch die Osseointegration erreichte Festigkeit lässt bei Belastungen max. Mikrobewegungen zwischen Knochen und Metallstiel zu, verhindert so das Entstehen eines bindegewebigen Interfaces und bildet damit eine sichere Barriere gegen aufsteigender Infekte (3, 4).
Nach durchschnittlich 6 Wochen und abgeschlossener Osseointegration wird in einem 2. Operationsschritt nach Anlage des Weichteilstomas das Adaptersystem zur Aufnahme der Exoprothese montiert (5) (Abb. 3).
Abb. 3 – EEFP li
Das Endo-Exo-Implantationssystem® hat sich in mittlerweile über 200 Fällen bei ober- und unterschenkelamputierten Patienten bewährt (Abb. 4) (6). Daher erschien es angesichts der großen Vorteile hinsichtlich der Stabilen Fixation der Prothetik am Körper sowie der verbesserten System Schulterbeweglichkeit gerechtfertigt, dieses auch nach Oberarmamputation zur Anwendung zu bringen.
Abb. 4 EEFP- Patienten in Aktion
CASE REPORT
Osseointegration (Percutane Implantation einer Endo-Exo-Prothese) als alternative Behandlungsmethode einer traumatischen Oberarmamputation
Horst-H. Aschoff, Vassilios Papageorgiou, PoliviosPavlidis
Einleitung
Die Rehabilitation traumatischer Oberarmamputationen mittels stumpfumfassender Prothese gestaltete sich insbesondere bei kurzen Stuempfenunguenstig. Die stark eingeschraenkte Schulterbeweglichkeit, Probleme bzgl. der Eingenstaendigkeit der Handhabung sowie der Positionssicherung der Prothese druecken sich in der oft geringen Patientenzufriedenheit aus.Es wird geschaetzt, dass bis zu 90 Prozent der Betroffenen ihre Prothese aus den genannten Gruenden nicht nutzten.
Die Osseointegration als bereits etablierte alternative Behandlungmethode zur Verbesserung der Rehabilitation traumatischer Ober- und Unterschenkelamputationen,
stellt mit ihren transcutan ausgeleiteten Implantaten, an welche die Exoprothese angedockt werden, eine neue Option zur Versorgung traumatischer Oberarmamputationen dar.
Case Report
Wir berichten ueber die Versorgung eines Oberarmamputierten mittels Osseointegration. Die Implantation erfolgte an einem kurzen Humerusstumpf (75mm). Die Behandlung war erfolgreich und zeigt eine hohe Patientenzufriedenheit.
Schlussfolgerung
Es ist zu erwarten, dass sich das Verfahren der Osseointegration aehlich wie bei der Versorgung der unteren Extremitaet, ebenfalls an der oberen Extremitaet, als Alternative zur Verbesserung der Rehabilitation etabliert.
Anamnese
Der 22 jaehrige Patient wurde bei Z.n. Verkehrsunfall (Motorradunfall) im Juni 2015 mit der Diagnose subtotale Amputationverletzung der linken oberen Extremitaet sowie traumatische Milzruptur Grad 4 im Roten Kreuz Krankenhaus Athen, Griechenlad, aufgenommen.
Unmittelbar nach Aufnahme erfolgte die notfallmaessige Amputation der linken oberen Extremitaet und die Splenektomie.
Abb. 1 Postoperativer Oberarmstumpf
Nach Abschluss der postoperativen Behandlung erfolgte die Rehabilitation des sehr kurzen Stumpfes mittels stumpfumfassender Prothese (Abb. 1 u.2).
Bei adequaterorthopaedietechnischer Versorgung zeigte sich eine deutlich eingeschraenke aktive Schulterbeweglichkeit, keine Eigenstaendigkeit der Handhabung, sowie insgesamt eine unbefriedigenden Sicherung der schaftumgreifenden Prothese mittels Schulterthoraxguertels bzw. thoraxumgreifenden Sicherung.
Abb 2 Aktive Schulterbeweglichkeit nach abgeschlossener Rehabilitation mittels stumpfumgreifender Prothese
Der Patient definierte sich selbst in seiner beruflichen und psychosozialen Reintegration als stark behindert und beschrieb ein ausgepraegtesFremdkoerpergefuehl (" das ist nicht meine Extremitaet, ich trage etwas fremdes an mich geschnalltes herum").
In Kenntniss gesetzt ueber die Moeglichkeit der transcutanen Osseointegration entschied sich der Patient fuer diese Alternative und stellte sich nach abgeschlossener praeoperativen Diagnostik, Planung und fertiggestellter Fabrikation des „custom made Implant“ im Juni 2016 in der Klinik fuer Plastische-, Hand- und Rekonstruktive Chirurgie der Sana-Klinik Luebeck, Deutschland, zum ersten Operationsschritt (First step) vor.
Abb. 3 – praeoperative Planung: Knoecherner Humerusstumpf 75mm
Implantatlaenge intramedullaer 65mm
Die praeoprativen Rtg.planung zeigt bei einem knoechernenHumerusstumpf von 75mm,in welchen ein 65 mm langer und 16 mm durchmessender intramedullärer Stiel zu liegen kommt (Abb. 3).
Nach komplikationslosen operativen und postoperativen Verlauf konnte nach 8 Wochen der zweite Operationsschritt (Second Step)mit Stomatisierung des Stumpfes und Andockung der hautdurchtretenden Bauteile durchgefuehrt werden. Postoperativ zeigt sich der regelhafte Sitz des Implantates (Abb. 4).
Abb. 4 - postoperativer radiologischer Befund, linker Humerus in 2 Ebenen
Am zweiten postoperativen Tag wurde die Exoprothese durch den Orthopaedietechniker montiert.
Der Patient wurde am 7 postoperativen Tag mit reizlosen Weichteilverhaeltnissen im Bereich der Hautdurchtrittsstelle und abgeschlossener orthopaedietechnischer Anweisung zur eingenstaendigen Handhabung entlassen (Abb. 5).
Abb. 5 – Patient am 7. postoperativen Tag mit montierter Exoprothese
Diskussion
Das Verfahren der Osseointegration hat sich nach erfolgreicher Anwendung an ueber 100 traumatisch amputierter Patienten der unteren Extremitaet in Luebeck/Deutschland (seit 1999), und den Ergebnissen der Arbeitsgruppe an der RadboudUniversitaet in Niijmegen/NL sowie der Arbeitsgruppe in Syndney/Australien bereits als Alternative zur Versorgung traumatischer Amputationen der unteren Extremitaet etabliert.
Schlussfolgernd sollte die Endo-Exo Versorgung traumatischer Amputationen an der oberen Extremitaetaehnlich gute Ergebnisse zeigen.
Bisher wurde neben dem oben beschriebenen Fall nur einige wenige <10 Patienten weltweit mit diesem Verfahren versorgt Schweden 2015, Australien 2015, USA 2015
Trotz der geringen Fallzahl zeigt sich das Endo-Exo Verfahren an der oberen Extremitaet aufgrund der sicheren Positionierung der Prothese, der leichten Handhabung, der verbesserten aktiven Schulterbewegung und der knochengefuehrten Bewegung mit wiedererlangter osteoperzeptivenFaehigkeit (7) der stumpfumfassenden Versorgung, insbesondere bei kurzem Stumpf, als ueberlegen.
Durch die hohe Patientenzufriedenheit mit der klaren Aussage des oben beschriebenen Patienten" this changed my life, it feels like my arm now " fuehlen wir uns in unserem Vorgehen bestaetigt (Abb. 6)
Abb. 6 – Pat. mit EEHP und angelegter Prothese
Anmerkung
Die momentan stattfindende Entwicklung einer myoelektronischen Reizuebertragung mittels intramuskulaer implantierter Elektroden (IMES) ohne externe Kontaktrezeptoren wird das stumpfumgreifendes System zu Gunsten einer stabilen, sicheren Fixierung der Prothetik am Oberarmstumpf verdrängen.
In Zukunft wird die subcutane Implantation von Myoelektroden mit der transcutanen Osseointegration kombiniert werden und insbesondere durch die sichere Prothesenpositionierung die motorische Funktion der Roboterhand verbessern (8).
Referenzen
1: H. Aschoff, A. Clausen, Th. Hoffmeister, “Doe Endo-Exo-Femurprothese – ein neues Konzept zur knochengeführten, prothetischen Versorgung von ober-schenkelamputierten Patieneten” in “Orthopädie und Unfalchirurgie“ Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
2: C Lunow, K.-H. Staubach, H. H. Aschoff, “Die Endo-Exo-Femurprothese – klinischer Verlauf nach Erstimplantation einer intramedullärenFemurprothese nach Oberschenkelamputation” in „Der Unfallchirurg” Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
3: Mittelmeier W, Grunwald I, Schafer R, Steinhauser E, Gradinger R. Vergleichende statistisiche biomechanische Untersuchungen zu Tripoden. Oberflächenstrukturen zementfreier Endoprothesen. Z Orthop Ihre Grenzgeb 1999; 137 (2): 122-128
4: Steinhauer E. Biomechanische Grundlagen der Implatatverankerung inGradinger R, Gollwitzer H. Ossäre Integration. Heidelberg: Springer; 2006: 17-23
5: August 2004, H. Aschoff, “The Endo-Exo-Femurprosthesis, a new concept of rehabilitation following above knee amputation”, 11th World Congress of the International Society for Prosthetics & Orthotics, Honk Kong / China
6: 2010, H. Aschoff, R. Kennon, J. Keggi, Lee Robin "Transcutaneus, Distal Femoral, Intramedullary Attachment for Above-the-Knee Protheses: An End-Exo Device", Volume 92-A, Journal of Bone and Joint Surgery,New England, Maine, USA
7: Juhnke D L (2010) Über die Endo-Exo-Femurprothese - Erarbeitung von Konzepten für die Qualitätssicherung knochengeführter Oberschenkelprothesen durch ganganalytische Bestimmungen und Auswertung von Druckverläufen unter dem Fuß. Diss Schrift München: LMU
8: Kang N V, Pendegrass C, Marks L, Blunn G (2010) Osseocutaneous integration of an intraosseous transcutaneous amputation prosthesis implant used for recon of a transhumeral amputee: case report. J Hand Surg Am. 35(7): 1130-4